Radierung – Tiefdruck


95 - 60
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Bruno Pelz

Pelz stellt Aquatintablätter her. Obwohl er Graphiker ist, neigt er zu malerischen Mitteln. Seine Farbskala reicht von Weiß bis Schwarz und setzt sich zusammen aus unzähligen Grauabstufungen, deren Ränder den feinen Haarpinsel verraten, der die Isolierschicht auf die Platte bringt. So paradox es klingt, die Graphiken haben keine Linien. Was als Linie erscheint, ist Grenze eines Tonwertes. Wo sie wirklich einmal in die Platte eingegraben oder eingeätzt wurde, wirkt sie isoliert, wie ein Fremdkörper. Pelz ist die freie Linie zu hart, zu verletzend, vielleicht auch zu eindeutig. Er bevorzugt daher die Modulation, die weichen und organischen Übergänge, die kleinen Tonstufen, denen das Aquatintakorn ein sattes Pigment gibt. Schicht um Schicht gewinnt Pelz der Platte ein gleichmäßig zartes Relief ab, das im Abdruck den räumlich diffusen und unartikulierten Plattenton in ein rasterartig strukturiertes und räumlich homogenes Gebilde verwandelt.

Eine gewisse Übereinstimmung der Grundformen brachte Pelz bisweilen in die Nähe von Heinz Mack, mit dem er zusammen in Düsseldorf studierte. Doch will er etwas anderes. Während der Raster bei Mack in seiner uniformen Reihung das einzelne Formmotiv in Frage stellt und als Ganzes Träger eines kinetisch oder durch das Auge bewirkten optischen Geschehens wird, versucht Pelz ihn seines technisch anonymen Charakters zu entkleiden und in eine Folge von Einzelmotiven umzudeuten, die in ihrer Dinghaftigkeit den surrealen Strukturen von Max Ernst näher als den funktionalen der Zero-Gruppe steht. Es sind bei ihm Bildgefüge wie Wände, Schichtungen, Gewebequerschnitte, es sind Vorordnungen, in die der Künstler störend eingreift, die er formal durchbricht.

Das Prinzip der Reihung tritt in den späteren Blättern immer mehr in den Hintergrund und wird von einem tiefschwarzen Fond abgelöst, aus dem schmiegsame, inselhafte Formgebilde auftauchen, die auf unsere Empfindung projiziert sind. Pelz scheut sich jedoch, unsere Assoziationen eindeutig festzulegen. Die Arbeiten tragen nüchterne Vermerke, die Technik, Produktionszahl und Entstehungsjahr bezeichnen. Persönlich nennt er sie anders: etwa „Harold B’s beautiful Black“ (RA 140-61), „Für Höhlenfreunde“ (RA 142-62), „Turm zu Babel“ (192-64) oder „Knie“ (200-64). Aber es bleiben private Titel. Pelz läßt die Dinge lieber offen, hält sie in der Schwebe. Es überwiegt die Skepsis gegenüber ausschließlichen und abschließenden Lösungen, die die innere Substanz, die Individualität des einzelnen Blattes gefährden könnten. So haben die Arbeiten mehr von „letztem Zustand“ als von Endgültigkeit und entsprechen darin ganz dem Gesetz ihres organischen Entstehens.

Dieter Honisch im Württembergischen Kunstverein Stuttgart zur Eröffnung der Studioausstellung 5 - 1966

Übernommen vom Bayerischen Rundfunk für: musica viva, Heft 2, 1966

Subtiler untersucht die formale Struktur der Radierungen Ernst G. Engelhardt: … seriell oder kinetisch, „beide Eigenschaften entdecken wir in den diagonal, horizontal und vertikal verlaufenden Flächenfugen von Bruno Pelz. Kleinste Regungen im Detail werden der Druckplatte mit ungemein sensibler Hand anvertraut, so dass sich Bewegung und Gegenbewegung dort, wo aus dem Nebeneinander ein Ineinander wird, sacht aufzufangen vermögen.“

Ausgewählte Bildbeispiele


Nach 23 Abbildungen folgen 6 Drucke, genannt MINIATUREN, danach 7 weitere, genannt NEUJAHRSGRÜSSE, jeweils erläutert.

17 - 59
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29 - 59
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30/I - 59
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39 - 59, III. Zustand
39 - 59, III. Zustand
54 - 60
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60 - 60
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74 - 60
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124 - 61
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140 - 61
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152-62
152-62
171-63
171-63

Ansprache von Ernst G. Engelhardt in der Galerie N in Bremen 1964

(Nach der Würdigung der Gouachen von Roswitha Lüder geht der Redner auf die Radierungen von Bruno Pelz ein.)

 

Wenden wir uns der stillen Seite zu, schauen wir auf die Radierungen von Bruno Pelz. Hier also haben sich geistige Diktion und äußere Form aufs Glücklichste verbunden. Wir begegnen rhythmisch gegliederten Kardiogrammen , deren äußeres Profil in der an treffenden Vokabeln reichen Sprache der neuen Kunst als „seriell“ oder „kinetisch“ bezeichnet wird. Zwischen beiden Bezeichnungen besteht ein wesentlicher Unterschied. „Seriell“ ist in erster Linie ein Kompositionshinweis, „kinetisch“ hingegen ein Bildhinweis. Während das serielle Verfahren nicht nur die logische Aneinanderreihung zwangsläufig ablaufender Töne - in diesem Falle Formen - bedingt,sondern auch eine stets chromatische Veränderung, weist der Ausdruck „kinetisch“ auf das beliebig fortsetzbare Aneinanderreihen des stets gleichen, kaum veränderten Formwertes hin. Beide Eigenschaften entdecken wir in den diagonal, horizontal und vertikal verlaufenden Flächenfugen von Bruno Pelz. Kleinste Regungen im Detail werden der Druckplatte mit ungemein sensibler Hand anvertraut, so dass sich Bewegung und Gegenbewegung dort, wo aus dem Nebeneinander ein Ineinander wird, sacht aufzufangen vermögen. Mitunter scheint eine neue Formenkette Unruhe in den Fluss der waben-, rinden und gesteinsähnlichen Querschnitte zu bringen. Doch bevor sie in den ursprünglichen Bildzusammenhang eingleiten kann, wird sie auf einer zusätzlich ordnenden Linie abgefangen. Diese Linie führt zugleich vor und hinter die bereits vorhandene Front, so dass sich als zweiter optischer Faktor ein prismatischer Durchbruch heranbildet, der die Rhythmik jedoch nicht behindert, sondern sie im Gegenteil durch verstärkende Zäsuren betont.

Wer dieses Verfahren mit eigenen Augen einmal genau überprüft, wird sich der Unzulänglichkeit des Begriffes „abstrakt“ so recht bewußt. Die Formelemente von Bruno Pelz sind nämlich im besten Sinne des Wortes „konkret“. Es sind genau umrissene Gebilde, deren dinglichen Eigenwert man eigentlich nur bestreiten kann, wenn nicht Phantasie und Geist genug für eine Erklärung abseits naturalistischer Auskünfte vorhanden sind.

Welch eine Fülle von Ereignissen zeichnet sich innerhalb dieses weiß Gott begrenzten Themenkreises ab: Gleichgewichte werden verschoben und wieder aufgefangen, locker verlaufende Strukturen verdichten sich plötzlich zu straff gespannten Netzen, ein Rhythmus wird organisiert, verschiedene Flächensequenzen werden aufeinander bezogen. Diese Radierungen liefern ein wirklich unwiderlegbares Argument für die These, man könne dem zeitgenössischen Kunstbetrachter getrost jedwedes neue, namenlose Gebilde vorführen, er werde es im Laufe der Zeit schon in seine Vorstellungswelt einbeziehen, wenn es ihm nur im Rahmen eines klaren visuellen Arrangements präsentiert werde.

Die neue, unbekannte Form gewinnt ihren Sinn nicht von außerhalb und auch nicht von der Verbindung mit uns allen bekannten Dingen her; sie trägt ihren Sinn vielmehr in sich selbst.

280-74
280-74
191 - 64  NJ. 91/92
191 - 64 NJ. 91/92
200 - 64
200 - 64
209 / V - 65
209 / V - 65
232-67
232-67
255 / II - 68  NJ. 68/69
255 / II - 68 NJ. 68/69
259/II - 68
259/II - 68
286 - 75
286 - 75
290 - 77
290 - 77
 294 - 78  NJ. 79/80
294 - 78 NJ. 79/80
298 - 79
298 - 79
304 - 84 NJ. 84/85
304 - 84 NJ. 84/85

Miniaturen


 101-61
101-61
 156-62
156-62
184-63
184-63
157-62
157-62
175-63
175-63
 185-64
185-64

Aus seiner Produktion der Jahre 1961 bis 1964 wählte Bruno Pelz 6 Radierungen für eine Mappe aus unter dem Titel >Miniaturen<, verlegt 1965 in Münster.
Die Radierungen druckte der Künstler eigenhändig auf französischem Bütten Velin d' Arches (38 x 28 cm), herausgegeben von Georg Kierdorf-Traut.   (Auflage 20)

"Aber dem Staub, dem beweglichen, eingezeichnet" (wie es im WEST-ÖSTLICHEN DIWAN heißt) sind auch die delikaten neuen Radierungen von Bruno Pelz. Kannten und schätzten wir vor einigen Jahren die fellartig gefleckten Arbeiten, deren Struktur (warum nicht?) der des gleichzeitigen Tachismus nicht allzu fern lag, so dürfen wir uns heute über die zarten figürlichen Ordnungen freuen, welche in seinen neuen Blättern aufscheinen - so, als tauchten sie von innen her an die Oberfläche. Der Geist, der sie erfindet, sitzt zumindest nicht "außen", auch wenn es die Hand des Radierers ist, welche sie auf die Platte aufträgt. Ordnungen? Es sind Klanggebilde - verwandt mit denen, welche unsere serielle Musik zu umreißen sucht. Gebilde, die sich unter dem Hören oder Hinsehen herstellen, um sogleich wieder zu entschweben: überweht von Wind (wie es im WEST-ÖSTLICHEN DIWAN heißt).

Albert Schulze Vellinghausen


NEUJAHRSGRÜßE


Bruno Pelz versandte Neujahrsgrüße, kleinere Formate, von denen 7 hier beispielhaft vorgestellt werden. "Ich habe insgesamt 35 gemacht von 1960 bis 1993/94", schreibt Pelz. "Ich fing beim Jahreswechsel 59/60 damit an, zaghaft. Der Kontakt zur Bremer "Kleinen Grafikgalerie" ließ die Zahl der Interessenten unerwartet wachsen, nach 2 Jahren auf 30, später mehr, bis ich sie wieder reduzierte. Das war eine zusätzliche, anstrengende Arbeit an der Kupferdruckpresse in der Weihnachtszeit. Nicht in jedem Jahr hatte ich ein passendes Kleinformat gemacht und musste auf kleine Platten früherer Jahre zurückgreifen, von denen ich noch keine Auflage gedruckt hatte."

 47-59     NJ. 59/60
47-59 NJ. 59/60
62-60     NJ. 60/61
62-60 NJ. 60/61
222-66 NJ. 66/67
222-66 NJ. 66/67
197-64 NJ.69/70
197-64 NJ.69/70

274/1-73 NJ. 73/74
274/1-73 NJ. 73/74
301-81 NJ.81/82
301-81 NJ.81/82
289-77 NJ. 88/89
289-77 NJ. 88/89